18. Januar 2011

Telekolleg, Lesson 1: Mauretanische Gebärdensprache

Bilder werden die nächsten Tage eingepflegt, bitte ein wenig Geduld.
Das mit der Landkarte scheint leider nicht so zu funktionieren wie gedacht.
Sobald ich Ersatz hierfür gefunden habe, wird diese natürlich nachgereicht. 

Tag 7
Montag, 10.01.2011

Das sanfte Rauschen des Meeres beendete die letzte Nacht auf europäischen Boden um 8 Uhr. Na gut, viel mehr war es der Wecker, aber das klingt nicht so romantisch... Grund des frühen Aufbruchs war die Fähre von Algeciras nach Tanger, die uns auf den Afrikanischen Kontinent bringen sollte. Um bei der Einreise nach Marokko nicht in Zugzwang auf Grund mangelnder Zeit zu kommen, sollte relativ früh übergesetzt werden. Ohne Probleme aus dem United Kingdom wieder ausgereist wurden in einem der Büros auf dem 25km langem Weg nach Algeciras gleich auch die Fährtickets gekauft. Insgesamt verkehren drei verschiedene Fähranbieter auf dieser Route, verlangen dank Preisabsprache aber alle das selbe und das ist nicht wenig. Dezente 166,33 Euro waren fällig für uns beide und den Wagen. Bleibt weiter zu hoffen, dass sich das alles beim Autoverkauf in Gambia rechnen wird.

Nach 4.178 Straßenkilometern ab Hamburg verließen wir so um 10 Uhr auf unbestimmte Zeit den Europäischen Kontinent. Die einstündige Überfahrt konnte man auch gleich nutzen, sich beim an Bord anwesenden Grenzbeamten den Einreisestempel gewohnt ziellos auf irgend eine Seite des Passports knallen zu lassen. Zu meiner Verwunderung legten wir jedoch nicht da an, wo noch vor fünf Jahren die Fähren ankamen, nämlich am Nordende der Stadt Tanger selbst, sondern gut 40km östlich der Stadt mitten in der Prärie. Sollte uns aber nur recht sein, ging es hier doch um einiges geordneter von statten. Für die Einreise mit dem eigenen KFZ war auch nur das Ausfüllen eines grünen Zettels notwendig, was auf Grund der Sprachbarriere auch gleich ein Zöllner für uns übernahm. Zwecks Registrierung im PC musste man dann noch zu ner extra Hütte, die nicht etwa gleich nebenan war, sondern dezente siebzehn Büdchen weiter - alles andere wäre ja auch zu logisch gewesen - Welcome to Africa Part I. Das Durchsuchen des Autos konnte man mit dem "Geschenk" von zwei Kugelschreiber auch beschleunigen und so waren wir nach nicht einmal ganz einer Stunde ohne weitere Kosten im Lande. Na wenn das mal immer so einfach sein wird auf unserer Reise.

In Tanger angekommen ging es auch gleich auf die Suche nach dem Stade Marchan. Laut Verbandsseite sollte hier und heute das Zweitligamatch von Ittihad Tanger stattfinden. Vor Ort wurde einem das bestätigt, was man fast schon befürchtet hatte. Kein Spiel heute, Ittihad hätte schon Freitag gespielt. Sau cool von der Internetseite des marokkanischen Fußballverbandes selbst Sonntag Abend noch von einem Montagsspiel zu berrichten, wo das Ergebnis doch schon seit drei Tagen feststeht. Ganz so überraschend kam es für uns aber auch wieder nicht, wird in Marokkos zweiten Liga sonst eigentlich nie Montags gespielt. So wird der Besuch des 14.000ers wohl doch etwas komplizierter werden, ist das Stade de Tanger, welchem daraufhin ein kurzer Besuch abgestattet wurde, doch so gut wie am Ende seiner Bauphase. Was der ünberdimensionierte Bau in einer Stadt bringen soll, die noch nicht einmal einen Erstligisten stellen kann, bleibt abzuwarten.

Statt Fußballkost gab es also kulinarische Kost in Form der guten alten "ich deute mal auf irgendetwas in der Speißekarte die ich nicht verstehe und hoffe es schmeckt"-Lotterie. Das Hühnchen in einem knusprigen Brotmantel schmeckte vorzüglich. Charwarma ist also schon mal zu empfehlen. Da vorab noch ein bisschen Geld gewechselt wurde (1 € = 10,8 Dirham), konnten die 67 Dh. für zwei Hauptspeißen plus zwei Getränke auch bezahlt werden.

Nach den eher unerfreulichen Nebenerscheinungen einer Großstadt wie Valencia und in Anbetracht des riesigen Gewusels, wie es nun mal üblich ist in arabischen Großstädten, waren wir uns schnell einig, erst einmal ein Stückchen weiter zu fahren um schließlich in Asilah ein kleines Fischerdörfchen zu finden, wo es sich prima entspannen und sich von der bisherigen Reise erholen ließ. Nebst der Wohnräume für 19.000 Einwohner findet sich auch noch die Auberge Sahara, die mit tiptop sauberen Zimmern und ebenso gut geschruppten Dusch- und Toilettenräumen auf dem Gang punkten konnte. Für 150 Dh. das Doppelzimmer kann man da nicht meckern. Einen bewachten Parkplatz (20 Dh. für 24 Std.) gleich nebenan gab es auch noch, so das alsbald entschieden war, hier für zwei Nächte Station zu machen.

Eine Runde Duschen für alle später wurde das Sightseeingprogramm ganz gemütlich mit einem Spaziergang um den Fischereihafen angegangen und da dieser relativ gut frequentiert zu sein scheint, war der Speißeplan für mich klar. Zwei Stück Dorade mit Pommes (die Sättigungsbeilage Nummer eins in Marokko) und einer undefinierbaren Sauce für Monsieur, Annika wagte sich an die Nationalspeiße Marokkos, die "Tagine". Das ist Fleisch oder Fisch deiner Wahl in einer Olivensauce. Inklusive Getränke und Salat war man mit 69 Dh. ganz gut bedient, um nach einer kleinen Internetcafe-Sitzung zwecks Berichterstattung zur ersten Woche gegen ein Uhr ins Bett zu fallen.

Tag 8
Dienstag, 11.01.2011


Schnappszahltag. Nur mit Schnapps ist es da nicht so einfach im muslimischen Marokko. Alkohol ist in sämtlichen Restaurants tabu und auch im einfachen Supermarkt oder Kiosk nicht zu finden. Wer vom Glauben her ein Bierchen am Abend darf bzw. es halt einfach trotzdem trinkt, der muss seinen Alkoholvorrat im nur bestimmte Stunden pro Tag geöffneten Alki-Laden aufstocken. So entfiel auch für mich das Feierabendbier am Vorabend und es sollte nicht der einzige Tag bleiben, an dem ich mich über meinen Fehler ärgern sollte, nicht ein wenig Proviant in Form von San Miguel und Vino aus Spanien mitgebracht zu haben.

Das sollte unsereins aber nicht daran hindern, trotzdem bis elf Uhr gemütlich auszpennen. Der Plan, den Tag gemütlich bei einem Gläschen Tee a la Marokko angehen zu lassen, wurde allerdings jäh von einer angreifenden Horde Bienen beendet. Also gleich auf in die Medina. So nenne sich die von hohen Mauern umgebenen Innenstädte, die meist mit kleinen, engen Gässchen sehr verwinkelt sind, ohne Verkehr auskommen und zum Teil einem Labyrinth gleichen. In Asilah ist vor allem ein Ausflug auf dem im südwestlichen Eck gelegenen Ausläufer auf das offene Meer hinaus zu empfehlen. Sehr schick. Da es außerdem in Asilah aber nicht allzuviel zu sehen gibt, ließ man sich für nen Euro noch fix zwei Brötchen beim örtlichen Büdchen schmieren und auf ging es zum laut Reiseführer drei Kilometer südlich der Stadt gelegenen "Paradise Beach". Ja, von wegen! Nach knapp zwei Stunden strammen Fußmarsch war man sich sicher, dass es entweder keinen Paradise Beach gibt oder die paar kleinen zugemüllten Strandabschnitte, die man auf dem Weg fand, aus reiner Ironie heraus so genannt werden. Eine spätere Recherche im großen World Wide Web ergab da schon eine ganz andere Entfernungsangabe von 20km. Na da hätten wir noch lange laufen können.

Würde der jährliche Weltkongress der Friseure in Asilah in Marokko abgehalten, mich würde es nicht wundern. In so jedem dritten Laden, der einem in der kleinen Stadt begegnet, kann man die Haarpracht wieder auf die neuste Mode modelieren lassen. Bei Preisen von 20 Dh. (also nicht mal ganz zwei Euro), ließ ich mich da freilich nicht lange bitten und so darf sich von nun an einer der ansässigen Barbiere damit brüsten, schon einmal blondes Haupthaar geschnippelt zu haben. Ergebniss durchaus zufriedenstellend.

Nach weiteren mehr oder minder wichtigen organisatorischen Aufgaben wie dem Anfertigen von Passkopien (für die Botschaften zwecks Visa-Ausstellung), Wäsche waschen, Bericht zuende schreiben und dem Verzehren einer riesigen Fischplatte für zwei (60Dh.), war der Tag auch schon wieder vorbei. Während in Tunesien der Pöbel gegen den Präsidenten aufbegehrt und in Algerien die Brotrevolte tobt, liebt man in Marokko den König genauso wie man es die letzten siebenhundert Jahre getan hat und so stand einer friedlichen und ruhigen Nacht nichts im Wege. Gar nicht immer so verkehrt so eine Monarchie.

Tag 9
Mittwoch, 12.01.2011

Um zehn Uhr hieß es raus aus den Federn und weiter in Richtung Süden. Die Hauptstadt Rabat wartete mit dem dort ansässigen Konsulat der Mauretanischen Repubik zwecks Visum. Bis Larache gab das ausweichen auf die kostenneutrale Landstraße noch Sinn, danach wäre der Umweg größer gewesen als dessen Nutzen, also rauf auf den bestens ausgebauten Highway und für 36 Dh. Maut bis Kenitra, hier via N1 nach Sale, welches direkt mit Rabat zusammengewachsen und nur durch einen Fluß mit dem klangvollen Namen "Oued Bou Regreg" getrennt ist. Hier galt es nun die Hausnummer sieben in der "Rue Moulay Idriss Al Akbar" zu finden, was ohne Stadtkarte in einer 1,4Mio-Einwohner-Stadt gar nicht so einfach ist. Nach ein paar mal nachfragen hatte man sich soweit durch das Gewimmel, das man hier liebevoll "Verkehr" nennt, bis zum Zielort durchgeboxt und stand um kurz nach fünf vor dem Heim von Nick, der ersten positiven Antwort bei Couchsurfing auf dieser Reise. Der US-Amerikaner aus Massachusetts arbeitet in Rabat als Englischlehrer und wohnt zusammen mit den marokkanischen Brüdern Saad und Mahid in einer schicken WG. 

Kaum Hallo gesagt ging es für Nick in die Abendschule und für Saad mit seinen neuen Gästen in den nächsten Handyladen, wo dem Deutschen Couchbewohner auf Zeit eine marokkanische SIM-Karte für 30Dh. erjagt wurde. Im Supermarkt das morgige Frühstück und im Drogenladen noch ein paar Bier zum Schwarzmarktpreis von 14Dh. die 0,5er Dose Flag Special organisiert, waren die Tagesaufgaben erledigt und man belohnte sich ordnungsgemäß mit einem gemischten Fleischspießeteller (45Dh.) im Restaureant Nostalgia selbst. So konnte der Tag gemütlich und endlich auch mal wieder bei durchaus trinkbarem Bier ausklingen und unsere neue WG kennengelernt werden. Als Politikstudent und vom Kommunismus durchaus angetan, wusste Kollege Saad ungefähr siebzehn mal mehr von den Lehren Marx und Hegels als unser eins, was in interessanten Diskussionen über Gott, die Welt, Deutschland, USA und Marokko gipfelte, bevor man aus akuter Müdigkeit gegen 1.30h abbrach. 

Tag 10
Donnerstag
. 13.01.2011

Nachdem die letzten Tage ohne größere Vorkommnisse in Sachen Unterhaltung abliefen, stand dieser Tag ganz im Zeichen, wieder ein wenig Fahrt in unserer Geschichte aufnehemen zu lassen. Es ist ja hinlänglich bekannt, dass eine Botschaft der Ort schlechthin ist, um für Schreibstoff zu sorgen. Allen voran, wenn es sich um eine Vertretung eines so top organisierten Landes wie Mauretanien handelt. 7.30h hieß es hierfür aufstehen, erwartet der Saharastaatsvertreter schließlich Pünktlichkeit. Wer schon einmal in Afrika war, dem wird die Ironie dieses Wortes nicht verborgen bleiben.

Kaum angekommen im Mekka des Chaos, wusste auch schon ein Pannenwestentragender Warumauchimmerwichtig für Stimmung zu sorgen, gestekulierte dieser erst einmal wild auf Parkplätze die keine waren um danach zu berichten, dass man nebst der Kopie des Ausweises auch eine Kopie des Marokkansichen Einreisestempels bräuchte. Zwecks Aufgabenteilung also erst einmal zwei fast bis zur Unleserlichkeit kopierte Formulare abgestaubt, die Annika versuchte, sachgemäß auszufüllen, während ich mich auf die Suche nach einem Kopierladen machte. Wieder vereint, war Annika allerdings noch nicht all zu weit gekommen mit den Formalitäten, war das zwei Seiten starke Dokument lediglich in Arabisch und Französisch. Nur weil man in feinster Detailarbeit fast zwei Stunden damit zubrachte, die einzellnen Wörter in Langenscheids Taschenwörterbuch nachzuschlagen, hieß das weis Gott (resp. Alah) noch nicht, dass man jetzt an der Reihe wäre. Gut 80 weitere Geisteskranke, schlichtweg alles Franzosen und Maxis aus weiter südlich, standen vor einem in der Reihe. Meine Lieblingsfrage auf dem Antragsformular war übrigens "Welche Länder haben sie in den letzten 10 Jahren bereist?". Kurz hab ich darüber nachgedacht, tatsächlich nach zwei extra Seiten zu fragen, mich dann aber dazu entschieden, lediglich die per Einreisestempel im Pass dokumentierten Länder anzugeben. Gott sei Dank ist der Passaporte noch nicht so alt.

Irgendwann war es dann so weit und auch wir durften in das kleine Kabuff, in welchem ein Helfershelfer die darin befindlichen Personen rüde von einer Seite zur anderen schob und mich auf irgendeiner Sprache anbellte, die ich nicht verstand. Nach dem vierten Schulterzucken meinerseits war es ihm dann scheinbar auch zu blöd und er machte das, für was er da war: Die zwei mitgebrachten Passfotos auf das Antragsformular tackern. Geiler Job! Ich seh es direkt vor mir, zu Hause bei Frau und den Kleinen: "Papa, Papa, was bistn du eigentlich von Beruf" - "Ich, mein Junge, ich bin Passfotosantackerer auf der Mauretanischen Botschaft!" - hehe, mega! Nachdem also auch der Passfototackerprofi passiert war, durfte man ans geschwärzte Fenster mit faustgroßem Guckloch hinterdem der Beweis saß, dass scheinbar auch in Mauretanien darauf acht gegeben wird, Menschen mit Handicap eine Chance auf die Eingliederung in einen normalen Beruf zu geben. Unser Kollege hinter der Fensterscheibe hatte scheinbar ein hartes Schicksal getroffen, denn er schien stumm zu sein. Die Mauretansiche Gebärdensprache war aber auch für uns ganz gut verständlich. So heißt fünf maliges, heftiges Schlagen mit der flachen Hand auf den Thresen "Den Pass und die Papiere bitte", ein dreimaliges Schlagen mit dem Kugelschreiber gegen die Fensterscheibe bedeutet hingegen "Nimm deine Pfoten vom Thresen runter, da darf nur ich drauf schlagen und sonst fässt da keiner ran!". Weiteres getrommel auf dem Thresen bedeutete nun, dass unser Gegenüber bereit war, die 640 Dh. für die zwei Visen in Empfang zu nehmen. Ein kleiner überreichter Zettel mit zwei Nummern und dem Victoryzeichen vom Botschaftsangestellten deuteten wir indes, dass die (zwei?) Pässe um zwei Uhr wieder abzuholen seien. Über glückliche Umstände erfuhren wir noch, dass es sich dabei um zwei Uhr am darauffolgenden Tag handeln sollte. Ach ja, hatte ich eigentlich erwähnt, dass die extra angefertigten Kopien des Einresestempels keine Sau haben wollte? Welcome to Africa Part II! Sich noch beim Passfototackerer bedankt ging es auch wieder raus an die Sonne und zurück zu den mittlerweile erwachten Kammeraden zu Hause.

In der Absicht, die heute morgen aus zeitgründen ausgefallene Dusche nachzuholen wurde man alsgleich auf den defekten Boiler hingewiesen, der fließend Warmwasser unmöglich machte. Welcome to Africa Part III dann wohl die Tatsache, dass man sich deswegen noch lange nicht um die Reparatur des Boilers kümmert. Statt dessen werden einfach die eigenen Gewohnheiten umgestellt. So wird sich mit Hilfe des Wasserkochers in der Küche und einem Putzeimer ein angenehm temperiertes Bad generiert. Naja, hauptsache sauber macht es. Frisch gewaschen und rausgeputzt war man bereit für ein wenig Sightseeing in Marokkos Hauptstadt. Nebst allgemeinem Spaziergang durch die City stand die große Medina samt ihres unnachahmlichen Gewussels und das Mausoleum auf der Agenda. Bei letzterem durfte man auch noch Zeuge davon werden, was hierzulande für ein Staatsakt daraus gemacht wird, wenn eine der unzähligen Landesflaggen eingeholt wird (warum auch immer...).

Im Alki-Shop wurde nebst eigener Verköstigung für den Abend auch noch ein Fläschchen Rotwein als Danke für die Gastgeber mitgebracht, sollte heute Abend doch großes gemeinsames Kochen anstehen. Der Amerikaner ansich tut sich ja ein wenig schwer in das Einfügen in andere Kulturen, so suchte Nick für das Dinner mit geladenen Gästen ein Couscous-Tagine-Rezept aus dem Internet und wurde auf der Internetpräsenz des Britischen Nachrichtensenders BBC fündig. Verständlich unverständlich reagierten da die marokkanischen Mitbewohner und so wurden wiederum ganz andere Dinge gekauft, als auf der BBC-Liste standen. Weiter wäre es ja kein Problem gewesen, wären nach der Shoppingtour die Herren Landsmänner nicht anderen Beschäftigungen nachgegangen und da auch der Dinner-Initiator Nick alsbald verschwunden war um seine Gäste von irgendwo abzuholen standen alsbald nur noch wir zwei Deutsche in der Küche und sahen uns mit allerhand Zutaten konfrontiert, die wir im Rohzustand so zuvor noch nicht gesehen hatten. Allen voran die Arabisch-Afrikanische Spezailität Couscous wusste zu begeistern. Kaum hatte man da nen Liter Wasser draufgegossen, machte es flupp und die Menge Couscous hatte sich verdoppelt, ohne nur einen Tropfen Wasser zum kochen über zu haben. Auch nach dreimaliger Wiederholung änderte sich an dem Couscousverhalten wenig. Ne echt interessante Materie. Da kann Zewa einpacken! Allen Hausfrauen zu Hause an den Bildschirmen sei eine Notreserve Couscous im Schrank ans Herz gelegt. Überschwemmung an der Waschmaschiene? Couscous hilft! Katzenstreu alle? Greif zu Couscous! Rotweinflecken im Teppich? Couscous! Die Bekundungen eines vorzüglichen Essens aller später Anwesenden waren wohl eher der Höflichkeit zuzuschreiben.

Zu Gast waren übrigens drei Marokkaner und eine Italienerin, wobei letztere sich trotz der durchaus vorhandenen Englischkenntnisse weigerte, irgendeine Frage zu beantworten, die ihr nicht auf französisch gestellt wurde. Hier ist dann wohl von ein bisschen Übereifer bei der Integration zu sprechen. Da die einzige Frage, die ich auf französisch stellen kann, einem nicht ganz unbekanntem Lied entlehnt, beließ ich es bei der Unterhaltung unter den restlichen Anwesenden. Eine Runde Poker schloß den Abend gelungen ab, auch wenn im Endspiel Marokko vs. Deutschland der Hausherr im Vorteil war. Naja, Hauptsache Italien in der Vorrunde raus!

Tag 11
Freitag, 14.01.2011

Ich war noch nicht wirklich lange auf der Couch eingeschlummert, da weckte mich um 4.30h ein sichtlich aufgeregter Mahid. Der Securitymockel auf der Straße, der für Sicherheit von Gebäude und Autos sorgen sollte, hatte ihn aus dem Bett geklingelt und wusste von einem aufgebrochenem Auto zu berichten, welches als unseres identifiziert wurde. Da wir das ja aber eigentlich in Valencia schon erledigt hatten und so im Auto eigentlich absolut nichts mehr zu sehen war, was man auch nur annähernd als Diebesgut hätte nutzen können, dachte ich anfangs eigentlich an eine Verwechslung. Als ich dann vor dem eingeworfenen Beifahrerfenster stand, dachte ich das nicht mehr. Was zum Geier soll der Blödsinn? Da ja nichts mehr im Auto war, fehlte dementsprechend auch nichts. Bis auf mein uralter CD-Walkman und einem USB-Stick, überwiegend mit Musik drauf, den ich unter den Sitz verstaut hatte und in Anbetracht der Anwesenheit des Securitytypen als sicher wähnte. Damit war es nun endgütligen so weit und als musikalische Untermalung auf der Weiterreise ist jetzt nur noch selber singen drin. Viel nerviger als diese Tatsache allerdings das nun zweite und diesmal viel auffälligere kaputte Fenster. Immerhin kann ich mir auf die Schultern klopfen, hatte ich das eingeworfene Fenster von Valencia wohl derart gut zugeklebt, dass die Langfinger da schlichtweg nicht durchgekommen waren.

Da um diese Uhrzeit eh nicht viel zu machen war, das Auto nun eh vollständig entleert war und der Securitymockel versprach, am Auto zu bleiben, legte man sich noch einmal aufs Ohr. Um neun Uhr wurde der Concergie des Hauses, der den ganzen Tag vorm Eingang sitzt und bis auf gucken keine weiteren großen Aufgaben zu haben scheint, mit 10 Dh. zur besonderen Aufmerksamkeit animiert um bis elf Uhr noch auf das erwachen einer der ortskundigen Mitbewohner zu warten. Saad war dann der erste der aus dem Bett kletterte und sich sogleich mit seinen neuen Tagesablauf konfrontiert sah. So ging es los in Richtung Autofriedhof vor den Toren Rabats, wo auf Grund des am Freitag üblichen Brauchs "Moschee und dann Couscousessen" allerdings erst wieder am Nachmittag jemand zu Gegend sein sollte. Also derweile mal zu den Freunden von der Mauretanischen Botschaft gefahren. Laut Zettel ist die Abholung der Pässe zwischen 12 und 13 Uhr vorgesehen, laut Aussage von gestern, sollte dies um 14 Uhr passieren und als wir um 15 Uhr immer noch wie belämmert nebst 100 anderer vor einer verschlossenen Tür standen, wusste ein Amerikaner zu berichten, dass er mittlerweile schon den dritten Nachmittag hier stehe und um Einlas begehre. Das Sesam öffne dich für dieses Hinderniss hatte er aber mittlerweile herausfinden können. Es würde bloß Einlass geben, wenn es alle Beteiligten schaffen würden, in einer Reihe anzustehen. Ich bin ja mal gespannt, wann ich das erste mal in einer ordentlichen Reihe irgendwo innerhalb des heiligen Gebietes Mauretaniens stehen werde... Immerhin hatten es nach einer knappen halben Stunde dann fast alle Beteiligten geschafft, sich in einer Reihe aufzustellen, mit Ausnahme einiger Maxis die auf der anderen Straßenseite ihr eigenes Ding machten, das wahrscheinlich nur sie selbst verstanden. (Anmerkung der Redaktion, also von mir: Das Wort Maxi, soweit ich weis eine ursprüngliche Wortschöpfung aus dem schönen Pattensen, ist der klägliche Versuch, den schwarzafrikanischen Menschen möglichst politsch angemessen zu beschreiben und stellt die Abkürzung für das Wort Maximalpigmentierter da. Ich war so frei, diese Idee mal zu übernehmen). Wenig später öffnete sich doch tatsächlich die Türe und da ich mir in dem Kuddelmuddel irgendwie eine Pole-Position ermogelt hatte, hatte ich doch tatsächlich die Pässe samt ersehnten Visum wieder. Warum man zehntausend Fragen im Antragsformular stellt ohne auch nur auf eine Antwort einzugehen, erschließt sich mir leider nicht ganz. So wurde das Visum nicht für den gewünschten Zeitraum ausgestellt, sondern vom Tage der Ausstellung selbst an für ein Monat. Aber das sollte eigentlich auch reichen...

Zurück am Autofriedhof war dort so immerhin schon wieder mächtig betrieb. 20 Minuten wurde zäh verhandelt bis man mit dem erreichten Rabatt in Rabat zufrieden war und in weiteren 20 Minuten waren beide kaputte Fensterscheiben für 500 Dh. ausgetauscht. Mich würde die Reaktion eines ATU-Werkstattmeisters interessieren, wenn man zwei Fensterscheiben ausgetauscht haben will und dabei mit 45 Euro winkt.

Wahrlich anstrengender Tag heute, so kam das von Mama Saad vorbeigebrachte Couscous als wir wieder zu Hause waren goldrichtig. Den direkten Vergleich zum Selbstversuch am Vortag sollte man tunlichst unterlassen. Im Internet dann noch einmal nach Zweitligaansetzungen gesucht, aber auch hier nur Pech. Sonst werden die Ansetzungen immer Donnerstags, allerspätestens Freitag (da ja immer ein Freitagsspiel) auf die Seite des hießigen Sportsenders geladen. Da tat sich aber auch heute Abend nichts. So ist von einer Pausierung der Liga zwischen Hin- und Rückrunde auszugehen. Und da die U19 in Safi am Sonntag morgen auf irgend nem Sportplatz selbst mir zu blöd ist, wird Woche zwei auch gleich eine komplett spielfreie sein. Nicht schön, aber auch nicht zu ändern.

Beim Aufräumen und Umbauen des Autos dann auch gleich noch die Verankerung vom Rücksitz kaputt gemacht, war klar, dass man weitere Erledigungen auf den folgenden Tag verschieben sollte und lieber bei einem Bierchen und ein bisschen TV entspannen sollte, bis um 1h dann die nötige Bettschwere erreicht war.

Tag 12
Samstag, 15.01.2011

Da einmal die Woche eine neue Fensterscheibe als ausreichend eingestuft werden darf, wurde der Wagen für die letzte Nacht in Rabat in einem gesicherten Parkhaus in der Innenstadt abgestellt, den es nach ordentlich verpennen bis 11h von dort wieder zu holen gab (43 Dh.). Und während man mit Nick ein Abschiedsmahl im lieb gewonnenen Restaurant Nostalgia einnahm, durfte sich Chef noch einmal ein wenig Pflege erfreuen. So wurde die Werkstatt um die Ecke damit beauftragt, sich um das Ölleck am Differenzialgetriebe zu kümmern und bei der Gelegenheit auch gleich die kaputte Rücksitzbank in Ordnung zu brigen und die in Spanien abgefallene Vergaserabdeckung wieder anzuschrauben, was auch alles für 300 Dh. wie gewünscht erledigt wurde. Eine letzte Eimerdusche später hieß es dann auch tschüss sagen, war es schließlich schon nach vier Uhr und wir wollten noch ein Stück in den Süden. Der anfängliche Plan, bis Essuaria zu fahren, wurde auf Grund der fortgeschrittenen Zeit ad acta gelegt. Anstelle dessen ging es nur die restlichen 200km Autobahn bis diese in El Jadida endet (Maut 53Dh.).

Hier nach Einbruch der Dunkelheit eine ganze Weile den Campingplatz gesucht, um ihn schließlich direkt am Ortseingang, den man eine gute halbe Stunde vorher passiert hatte, wiederzufinden. In der durchaus akzeptablen Anlage konnte das Nachtlager "Chef" zwischen zwei Bäumen im Grünen aufgeschlagen werden. Inklusive Heißwasserduschen kostet der Spaß für pro Person knapp 2 Euro. Damit kann man leben - auch in einem Kofferraum!

Nach einem kleinen Strandspaziergang wurde noch das Samstagnachtleben in der 145.000-Einwohnerstadt erkundschaftet. Was hier auf dem Boulevard los ist, ist mit kaum einen Volksfest in der Heimat zu vergleichen. Statt in irgendwelche Clubs oder Bars/Cafes zu gehen, sitzt und läuft der gemeine El-Jadida-Teeny einfach die ganze Zeit die Straße rauf und runter. Was will man auch groß anderes machen, wenn man noch nicht mal n Radler darf... Da auch wir nicht durften (es gab ja schlichtweg auch nichts zu kaufen um die Uhrzeit), begnügten auch wir uns mit einem leckeren Tunfischsandwich in einem der kleinen Snackbars (10 Dh.), bevor es sich gegen elf im Mercedes lang gemacht wurde.

Tag 13
Sonntag, 16.01.2011

Da hatten wir es in Anbetracht der sommerlichen Temperaturen tagsüber wohl ein wenig unterschätzt mit der Kälte, die hier Nachts durchaus noch ins Land hereinbricht. Etwas zu leicht bekleidet frohr man sich gut den Nacken steif, aber aus Fehlern lernt man ja bekanntlich. So war man immerhin um kurz nach acht bereits munter und konnten alsbald wieder auf die Piste. Essuaria war der nächste Zielort, wobei wir uns da nicht festlegen und vor Ort erst mal sehen wollten, ob es uns denn gefällt. Die erste Etappe führte uns gut 80km die Landstraße weiter in Richtung Süden, bevor man in Oualidia Stop machte. Laut Mehdi sollte hier ein schöner Strand zu finden sein, dem auch so war. Bei gut 22 Grad an diesem Vormittag war es zwar nett warm, so wirklich zum plantschen war es dann aber auch noch nicht. Also sich rein visuell an der Badebucht erfreut, ein Omlett und ein Sandwich gefrühstückt und weiter gings, schließlich gilt es in den nächsten Tagen noch gut 1.800 km Marokko zu durchqueren.

Fast vier Stunden waren für die 250km Landstraße bis Essuaria dann nötig. Da hier viele Reisenden von Marrakesch, dem Tourimekka schlechthin in Marokko, ankommen, wimmelte es nur so von französischen Wohnwägen und für hunderttausend Euro umgebaute LKWs und Monstertrucks der "Overlanders". Dementsprechend nervig auch die örtliche Tourimafia, die an jeder Straßenkreuzung mit Schlüßel in der Hand wedelt um irgendwelche Zimmer und Apartments zu verkaufen. Spätestens als wir an einem Restaurant mit dem für Marokko eher untypischen Namen "Drive inn" und der Werbung für "all you can eat" hielten, um ein Dutzend dickbäuchige Touris der Marke "Mallorca-Kalle" über die Straße zu lassen, war uns klar, dass wir hier nicht glücklich werden würden. Also fix an ner Bank Geld gezogen, drei "Hello my friend"-Typen abgewimmelt, ging es auch schon weiter. Dem Gegner im Pokerfinale von Rabat hatte man gefragt, was denn der tollste Ort wäre, den er in Marokko kenne. Imsouane war seine Antwort gewesen und dieses auf der Karte als Minipunkt an der Küste gut 100km südlich eingezeichnete Kleinod wurde anstelle dessen angesteuert. Irgendwann wies tatsächlich ein kleines Schild links von der Hauptstraße ab und nach 15 weiteren Kilometern auf einer Straße die so breit ist, das wir geradeso darauf passten, teils an der Steilküste zum Atlantik entlang mit traumhafter Aussicht, war Imsouane erreicht. Und was entdecken unsere nimmermüden Augen da? Einen Campingplatz. Also mal wieder alles richtig gemacht, den Wagen auf der 2km Piste entfernten Anlage (1 Auto, 2 Personen 60 Dh. inkl. Warmwasserduschen) geparkt und für die Nacht umgebaut ging es noch einmal zu Fuß zurück in das kleine Dörfchen. Da Sonntag war, waren unsere Lebensmittelvorräte aufgebraucht und die Mägen knurrten. Das kleine Nest hatte freilich nicht viel zu bieten und da Restaurant eins zu hatte und Nummer zwei zwar offen aber nichts zum essen da hatte (abends um 19h! Welcome to Africa Part IV), blieb nur noch der letzte Laden. Und wie es eben so ist in der freien Marktwirtschaft, bestimmt Angebot und Nachfrage den Preis. So beliesen wir es bei zwei kleineren Snacks, die aber gut genug satt machten um trotz Modern Talking Musik auf vollster Lautstärke das Nervenkostüm aufrecht zu erhalten. Auf dem Rückweg noch in einer Herberge ne Flasche Rotwein zum Schwarzmarktpreis erstanden, ging es aus Mangel an Alternativen auch recht zeitig in die Horrizontale.

Die darauffolgenden Tage stehen im Zeichen, stetig weiter in den Süden zu kommen, an Agadir vorbei wird es von Tiznit aus wieder an die Küstenstraße bis Sidi Ifni gehen, von wo aus es erst einmal nur noch ein Stück Landeinwärts auf befestigten Straßen nach Süden geht. Hier beginnt sie nun langsam aber merklich, die Sahara, die wir auf gut 2000km durchqueren werden. Irgendwo dazwischen: Der Grenzübergang zu Mauretanien und damit hoffentlich der erste Länderpunkt auf dieser Tour. Wie es in der mit 9Millonen Quadratmeter (26x Deutschland) größten Trockenwüste der Welt vorangeht, gibt es nächste Woche. Bis dahin...
Beste Grüße aus Sidi Ifni

2 Comments:

Anonymous Michael Schmidt said...

Hallo Ihr Beiden, etwas verspätet, denn ich war auch on the raod. N`bisschen neidisch werde ich schon wenn ich das lese. Aber auch meine Pläne konkretisieren sich. Doch bevor ich wieder starte seid Ihr sicher wieder hier. Tip gegen eingeschlagene Autoscheiben: Türen nach Beräumung offenlassen und Handschuhfach aufklappen. Ich wünsche Euch eine hoffentlich nicht all zu strapaziöse Saharadurchquerung.
viele Grüße Michael

28/1/11 13:15  
Anonymous Anonym said...

Ich will das nicht alles lesen ;) Wo bleiben die Bilder? :)
Wir wollen Bilder sehen, wir wollen Bilder sehen...

liebe Grüße aus Dresden :)

29/1/11 21:17  

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